In den meisten europäischen Städten ist der Fastentag lang, seine Nacht kurz, und das islamrechtliche Zeichen für den Eintritt der Zeit des Nachtgebets bleibt aus. Dieser Umstand erfordert notwendigerweise ʾIǧtihād - die Bemühung um ein eigens Urteil.
In Bezug auf die Handhabung des Nachtgebets in Europa haben sich drei Meinungen etabliert:
- Das Nachtgebet wird verrichtet basierend auf dem Berechnungswinkel von 18°. Das Gebet fällt hierbei auf ca. 24:00 Uhr. Das Frühgebet begänne bereits drei Stunden danach.
- Das Nachtgebet wird zu einem definierten Zeitpunkt - eine oder auch eineinhalb Stunden nach dem Abendgebet - verrichtet.
- Das Nachtgebet wird mit dem Abendgebet zusammengefasst.
So ergibt sich für die Zeit des Ramadans - der dieser Jahre in den besagten Zeitraum des fehlenden islamrechtlichen Zeichens für den Eintritt der Zeit des Nachtgebets fällt - folgende Frage:
- Wann sollte das Tarāwīḥ-Gebet im Ramadan vorzugsweise verrichtet werden? - in Anbetracht der Erschwernis des Fastens am Tag; der Kürze der Nacht; der Notwendigkeit, der Arbeit ordentlich nachgehen zu können; sowie den Alltag zu bewältigen?
Antwort des Europäischen Rats für Fatwa und Forschungen (ECFR)
Der ECFR empfiehlt die Zusammenlegung des Abend-, Nacht- und Tarāwīḥgebets nach dem Gebetsruf des Abendgebets mit ausreichender Zeit nach dem Abendgebet für das Fastenbrechen. Die Zusammenlegung der Gebete wird empfohlen, da so einer größeren Anzahl an Menschen das Verrichten der drei Gebete in der Gemeinschaft ermöglicht wird und sie Erleichterung einräumt in Bezug auf die in der Fragestellung erwähnten Erschwernisse.
Der ECFR stellt drei Möglichkeiten der Zusammenlegung vor:
- Nach der Verrichtung des Abendgebets wird ausreichend Zeit für das gemeinsame Fastenbrechen eingeräumt. Im Anschluss daran wird das Nacht- und Tarāwīḥgebet verrichtet. Das Zusammenfassen mit großer Pause zwischen dem Abend- und Nachtgebet wurde von einigen Großgelehrten, wie ʾIbn Taimīya und ʾIbn al- Qayyim, erlaubt.
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Die Zusammenlegung des Abendgebets mit dem Nachtgebet gleich nach dem Gebetsruf des Abendgebets. Nach der Verrichtung des Abend- und Nachtgebets wird ausreichend Zeit für das gemeinsame Fastenbrechen eingeräumt. Im Anschluss daran wird das Tarāwīḥgebet verrichtet.
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Alle Gemeinden, die basierend dem Berechnungswinkel von 18° das Nachtgebet gegen 24:00 Uhr verrichten, können das Tarāwīḥgebet noch vor dem Nachtgebet beten. Dies erlauben einige der späteren Gelehrten der hanafitischen und hanbalitischen Rechtsschulen. Ihre Argumentation: Das Tarāwīḥgebet selbst ist ein freiwilliges Nachtgebet. Durch das Ausbleiben des islamrechtlichen Zeichens für das Nachtgebet, gilt die Zeitspanne beginnend nach dem Abendgebet als legitime Zeit für die Verrichtung des Nacht- und Tarāwīḥgebets.
Ich lege den Imamen und Vorständen der islamischen Vereine und Zentren in Europa nahe, den Menschen das Gebet zu erleichtern und die Rechte der Nachbarn zu berücksichtigen und sie nicht zu stören.
Möge Allah euren Gehorsam Ihm gegenüber annehmen und es euch jedes Jahr gut gehen lassen.
Dr. Khaled Hanafy Vorsitzender des Fatwa-Ausschusses in Deutschland, Mitglied des ECFR
*Es handelt sich hierbei um eine Übersetzung aus dem Arabischen